Planungs-Workshop an Papierwand

... und ein spannender hybrider Planungsansatz

Letzthin bekam ich von einem Neukunden den Auftrag, ein Projekt von Grund auf neu zu planen. Viele verzettelte Aufgaben waren am Laufen, jedoch mit ungenügender Abstimmung und keinem klaren Fokus auf das angestrebte Ziel:

Die unverrückbare Deadline im Juni 2021 für einen strategisch entscheidenden Meilenstein.

Der Kunde ist ein mittelgrosses Startup Unternehmen im Clinical Bereich mit vielen jungen und neu eingestellten Mitarbeitern. Das Projekt ist natürlich Bereichs-übergreifend mit Entwicklung, Produktion, Qualitätssicherung, sowie externen Labors und Forschungsteams an Universitäten.

In einer kleinen Spurgruppe haben wir uns überlegt, wie wir das anpacken sollen und haben uns für einen etwas speziellen Weg entschieden: Einen mehrstündigen Planungs-Workshop an dem alle geforderten Lieferergebnisse auf Zettel an eine grosse Papierwand geklebt werden (mit einem Sprühkleber, der wieder ablösbar ist wie die berühmten gelben Zetteli).

Warum haben wir das gemacht? Warum haben wir nicht mit dem PPM Tool Sciforma, das wir aktiv promoten, ein Gantt Chart am Projektor erarbeitet? Warum haben wir nicht Epics definiert, einen Backlog abgefüllt, priorisiert und den ersten Sprint geplant?

Wie früher: Gantt Chart mit Projektor erarbeiten

  • Die Menge an Aktivitäten und die Komplexität des Vorhabens haben uns schon schier erschlagen, bevor wir sie vollständig und konsolidiert aufgelistet hatten.
  • Mit diesem unstrukturierten Haufen an geforderten Lieferergebnissen und Aufgaben zu einem Balkenplan auf der beschränkten Projektionsleinwand zu kommen, schien uns unmöglich.
  • Aufteilen in Teilbereiche wäre sicher irgendwie möglich gewesen. Aber die vielen Abhängigkeiten haben uns erahnen lassen, dass die Teilbereiche dann doch wieder zu stark miteinander verknüpft sind, als dass man sie unabhängig voneinander in kleineren Subteams planen könnte.
  • Zudem erschien uns, dass das Modell ‚Einer plant, alle anderen gucken zu und erteilen Ratschläge‘ nicht dem übergeordneten Zweck dienen, das Team Engagement zu fördern und den Fokus auf das gemeinsame Ziel zu stärken.

Der moderne Ansatz: Epics, Backlog & Co

  • Wir wählen für in unsere Projekte fast ausschliesslich agile Vorgehensmethoden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Besser auf Veränderungen reagieren können und stärkerer Fokus auf die Inhalt/Qualitäts-Ecke beim PM Dreieck. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Methoden, die hauptsächlich auf Zeit und Kosten/Ressourcen achten und Veränderungen als Störungen empfinden.
  • Ein weiterer grosser Vorteil liegt ganz klar in der einfachen Priorisierung: Was zu Oberst ist, kommt zuerst dran.
  • Allerdings: Wie kommt man zu dieser Priorisierung? Sie ist ja hauptsächlich von den Abhängigkeiten bestimmt. Und die Abhängigkeiten unter den verschiedenen Lieferergebnissen werden im Backlog schwach abgebildet und müssen irgendwie schon vorher geklärt sein.

Der Schlüssel: Die Abhängigkeiten managen

In den vorbereitenden Gesprächen realisierten wir bald, dass das Hauptproblem war, dass Teams aufeinander warten. Also dass eine Aktivität nicht gestartet werden kann, weil ein anderes Lieferergebnis noch nicht mit Freigabestempel vorliegt. Dem vorgelagerten Team war aber nicht klar, welche Lieferergebnisse die wirklich dringenden waren, die den kritischen Pfad beeinflussen und damit den Endtermin gefährden.

Die Lösung

Abhängigkeiten aufzeigen geht doch am besten mit einem Netzwerkdiagramm! Diese etwas aus der Mode geratene Darstellungsform schien uns ein gangbarer Weg, die Abhängigkeiten zu erfassen und zu dokumentieren.

Aber auch hier: Auf dem Computer mit Projektor - einer plant die anderen schauen zu?

Nein, das kann es nicht sein. Die Teammitglieder müssen sich bewegen können, müssen ihre Lieferergebnisse selber beitragen können. Denn: Körperliche Aktivität fördert den Geist und das Engagement.
Alle müssen das Ganze im Blick haben können. Nicht nur einen Ausschnitt, der auf der Projektionswand unter Einhaltung der Corona Abstandsvorschriften noch lesbar ist.

Das Erfolgserlebnis

Dank guter Vorbereitung hatten wir nach knapp zwei Stunden alle Lieferergebnisse an der 4 Meter langen Wand aufgeklebt und die Abhängigkeiten definiert. Auf jedem Blatt waren die Vorgänger eingetragen, eine ungefähre Dauer geschätzt und ein Verantwortlicher bestimmt.

Nacharbeit

Um die kritischsten Pfade zu eruieren (ich weiss, das PM Tool spuckt nur einen kritischen Pfad aus, aber in der Realität gibt es mehrere, die sich bei kleinen Verzögerungen schnell abwechseln können), mussten wir die Planung zusätzlich auf der Zeitachse mit einem Balkendiagramm abbilden. Das haben wir natürlich mit Sciforma gemacht.

Projektdurchführung dann natürlich agil

Nun, da die Lieferergebnisse auf konventionelle Weise sauber geplant waren, können die dafür nötigen Aktivitäten im Backlog erfasst und Kanban mässig abgearbeitet werden. Und hier kommen die Ihnen sicher bereits bekannten wichtigen Elemente aus Scrum und Kanban zur Anwendung, aber auch gute alte Tugenden wie klare RACI Definitionen:

  • Eindeutige Priorisierung der Aktivitäten auf Grund der Dringlichkeit und der Abhängigkeiten der Lieferergebnisse
  • Detaillierte Planung mit Deadlines für jeden Einzelschritt wie Entwurf erarbeiten, Review organisieren und durchführen, Freigabe einholen und veröffentlichen
  • Klare Zuteilung der Durchführungsverantwortung, Mitarbeit, Freigabekompetenz und Information (RACI)
  • Begrenzung des 'Work in Progress' und gegenseitige Unterstützung fördern à la Kanban
  • Regelmässige kurze Status Meetings und Retrospektiven entsprechend dem Scrum Ansatz

Tools für Planung und Zusammenarbeit

Für die Projektdurchführung haben wir uns auf Grund der vorhandenen Infrastruktur beim Kunden für folgende Tool Verwendung entschieden:

  • Die übergeordnete Planung der Lieferergebnisse als Gantt und Netzwerkdiagramm in unserer firmeneigenen Planungsumgebung Sciforma verfügbar.
  • Aktivitäten, um ein Lieferergebnis zu erzeugen, werden im Microsoft Task Planer als Kärtchen erfasst und Kanban mässig abgearbeitet.
  • Die Team Kommunikation läuft in Teams Channel Beiträgen (Posts) und Kommentaren auf den Planer Kärtchen.
  • Dateien werden in Teams unter Dateien abgelegt und mit einem Post mit Link den anderen Teammitgliedern bekannt gemacht.

So konnte der E-Mail Verkehr drastisch reduziert werden und die Themen sind zusammengefasst am richtigen Ort gespeichert.

Fazit

Die ersten Status Meetings haben wir inzwischen hinter uns. Das Team ist am Lernen, was im kurzen Austausch Platz hat und was vorgängig abgesprochen sein muss, um die Effizienz zu erhalten.

Das Team Feedback ist sehr positiv und auch das Management ist erfreut über die fokussierte Arbeit, die nun geleistet wird.

Die Kombination, also der hybride Ansatz mit Überblick herkömmlich planen und dann agiler Durchführung bewährt sich.

 Yippie, Projektarbeit macht Spass!

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